How to: Erstankömmlinge in Bonn unterstützen

***aktualisierte Version, 7. September 2015***

Wenn jemand gerade in Bonn angekommen ist und Asyl beantragen möchte, gibt es ein paar einfache Schritte, die jede/r, die oder der halbwegs der deutschen Sprache mächtig ist und ein bisschen Zeit zur Verfügung hat, machen kann, um zu helfen.

Vieles davon ist selbsterklärend, dennoch findet Ihr ein paar Tipps an Dingen, die Ihr tun könnt.
Falls Ihr Hilfe dabei benötigt oder in der konkreten Situation Nachfragen habt, könnt Ihr uns unter 01573 7222228 erreichen.
Wenn Ihr also – auf welchem Weg auch immer – an Menschen geratet, die äußern, dass sie Asyl beantragen wollen, empfehlen sich folgende Schritte:

1. Essen: Viele haben eine tage- oder gar wochenlange, strapaziöse Reise hinter sich, haben wenig geschlafen und wenig gegessen. Bietet den Leuten an, mit ihnen etwas zu essen.

2. Kleidung: Manche Geflüchtete haben nur das allernötigste dabei und besitzen oft nur die Kleidung, die sie am Leib tragen. Nicht wenige werden auf ihrer Flucht beraubt und auf andere Weise drangsaliert. Besorgt ihnen warme Kleidung zum Wechseln und Decken. Ihr könnt Euch gerne an uns wenden, wenn ihr dabei Unterstützung benötigt.

3. Medizin: Fragt die Menschen, ob sie irgendwelche ganz akuten Beschwerden haben und Medizin brauchen. Falls Medikamente benötigt werden und Ihr selbst kein Geld habt, wendet Euch an uns. Stellt diese Frage möglichst behutsam, damit nicht der Eindruck entsteht, dass alle Flüchtlinge als KrankheitsüberträgerInnen betrachtet werden. Dennoch dient diese Nachfrage natürlich auch dem Selbstschutz.

4. Einkaufen: Viele können vielleicht, da sie länger nicht gegessen haben, nicht so viel auf einmal zu sich nehmen. Es bietet sich an, in den Supermarkt zu gehen und mit den Geflüchteten weiteres Essen und Getränke zu kaufen. Sinnvollerweise beschränkt man sich bei dem, was die Leute mitnehmen, auf Sachen, die man unmittelbar essen kann ohne sie vorher zubereiten zu müssen (Äpfel, Bananen, Brot, Snacks, Süßigkeiten). Außerdem ist es den meisten ein großes Anliegen, zu duschen oder sich wenigstens zu waschen. Das kann am besten bei der Übernachtungsmöglichkeit organisiert werden (s.u.). Aber beim Einkaufen können bereits Hygieneartikel besorgt werden, sofern benötigt (Zahnbürste, Zahnpasta, Duschgel, Handdesinfektionsgel, vielleicht Reisewaschmittel usw.). Achtet darauf, dass alles gut transportierbar bleibt – auch bei längeren Fußwegen.

5. Nach Hause telefonieren: Asylsuchende sind keine Aliens, haben aber mit E.T. sowie allen anderen Menschen gemein, dass sie nach ihrer Ankunft das dringende Bedürfnis verspüren, sich bei hier lebenden oder zurückgelassenen Familienangehörigen zu melden. Helft Ihnen dabei. Sehr wichtig ist darauf hinzuweisen, dass Auslandsgespräche mit normalen SIM-Karten meist extrem teuer sind. Für Auslandsgespräche empfehlen sich entweder spezielle SIM-Karten oder Calling-Cards für bestimmte Länder oder Regionen, die man in fast jedem Callshop bekommen kann. (Allgemein ist es sinnvoll, die Asylsuchenden darauf hinzuweisen, dass sie erstmal keine Verträge – sei es nun für Mobiltelefonie oder sonstiges – unterschreiben sollten. Leider gibt es nicht wenige Menschen, die aus der Not der Geflüchteten und deren Unkenntnis der hiesigen Verhältnisse versuchen, Profit zu schlagen, indem sie ihnen unsinnige Verträge andrehen.) Viele haben Facebook oder Skype und freuen sich, wenn Ihr ihnen zu diesem Zweck euren PC zur Verfügung stellt.

6. Meldung bei der Polizei: Wenn jemand hier Asyl beantragen will, muss er sich bei der Polizei melden. Das kann erstmal auf jeder Polizeiwache geschehen. Viele Geflüchtete haben aus guten Gründen Angst vor Uniformierten und Bewaffneten, daher ist es gut, wenn Ihr sie – nachdem die anderen Schritte oben erledigt sind – dorthin begleitet und ggf. helft, zu übersetzen. Nicht jeder Polizist spricht englisch. Da es de facto keine legalen Einreisemöglichkeiten gibt wird die Polizei in der Regel ein formelles Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Grenzübertritts einleiten, das aber nicht weiterverfolgt wird. Erklärt den Asylsuchenden das und versucht ihnen die Angst zu nehmen. Möglicherweise werdet Ihr von der Polizeiwache weiter zum Präsidium nach Ramersdorf geschickt, wo Kriminalbeamte die Fingerabdrücke nehmen, Fotos machen und die Asylsuchenden erstmalig befragen. Dorthin gelangt Ihr am besten mit der Straßenbahnlinie 66, Haltestelle Ramersdorf, oder mit der Buslinie 606, Haltestelle Heinrich-Konen-Straße. Beide Haltestellen befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Präsidium. Stellt Euch auf Wartezeiten ein, verdeutlicht aber den Beamten auch, dass Ihr gerade dabei seid, Ihnen die Arbeit zu erleichtern, damit sie Euch nicht zu lange warten lassen. Bleibt freundlich, aber bestimmt.
(Anmerkung: Es kann sein, dass die Kriminalpolizei versuchen wird, die Geflüchteten nach ihren „Schleppern“ zu befragen. Unsere Position dazu ist: Fluchthilfe ist nicht per se als Verbrechen einzustufen.)

ACHTUNG: Aktuellen Erfahrungen nach droht die Polizei teilweise, insbesondere am Wochenende und bei Personalengpässen, mit der vorübergehenden Ingewahrsamnahme der Geflüchteten. Wenn Ihr für die Registrierung zur Polizei geht, geht auf jeden Fall erst kurz alleine rein und lasst Euch versprechen, dass sie die Geflüchteten nach der ED-Behandlung wieder gehen lassen. Eine Ingewahrsamnahme in einer Polizeizelle kann für viele retraumatisierend wirken. Sollte die Registrierung an diesem Tag wegen fehlender ÜbersetzerInnen oder Personalengpässen nicht möglich sein, kann man es entweder (am besten zunächst telefonisch) bei anderen nahegelegenen Kommunen wie bspw. dem Rhein-Sieg-Kreis versuchen. Ansonsten gilt es, die Leute erstmal privat unterzubringen, damit sie die Nacht nicht in der Zelle verbringen müssen.

WICHTIG: Aktuell versucht die Polizei, Leute, die dort mit Geflüchteten zwecks Registrierung ankommen, zum Ausländeramt zu schicken. Die Ausländerämter in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis verweigern dies zur Zeit komplett, es muss also auf jeden Fall derzeit bei der Polizei geschehen, die definitiv über das nötige Equipment verfügen. Auch wird seitens der Polizei und des Ausländeramts derzeit immer gesagt, dass die Leute direkt – ohne Registrierung – nach Dortmund fahren sollen. Unsere aktuelle auf Erfahrungswerten und Informationen von Leuten aus Dortmund beruhende Einschätzung ist die, dass es auf jeden Fall besser ist, die Leute direkt hier vor Ort zu registrieren und ggf. übernachten zu lassen, bis dies geschehen ist. In Dortmund bricht augenscheinlich gerade alles unter den großen Zahlen von Neuankömmlingen zusammen und die Menschen werden dort schon offenbar teils seit Wochen unregistriert in Busse verladen und in behelfsmäßige Unterkünfte – z.T. Turnhallen oder gar Zelte – geschickt, wo sie mitunter wochenlang warten müssen, bis sie überhaupt registriert werden können. Daher ist eine dezentrale Registrierung in den Städten, in denen sie ankommen, offensichtlich derzeit vorzuziehen – unabhängig, was Polizei oder Ausländeramt sagen. Bereits registriert zu sein verschafft den Flüchtlingen die Möglichkeit, in Landeserstaufnahmestellen wie (bspw. die Ermekeilkaserne) zu gelangen und von dort zügiger in andere langfristige Unterkünfte weitervermittelt zu werden.

7. Übernachtung: Nachdem der Wunsch nach Asyl bei der Polizei geäußert wurde und das Prozedere abgeschlossen ist, sollten die Asylsuchenden wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Dann ist es zu spät, um noch zur ZAB nach Dortmund (siehe nächster Punkt) zu fahren. Daher brauchen sie eine Übernachtungsmöglichkeit. Die Unterbringung in Notschlafstellen ist unzureichend. Einerseits kann es sein, dass die Menschen dort abgewiesen werden, weil sie noch keinen Aufenthaltstitel haben, andererseits sind die Stellen oft schon voll. Nun gilt es, eine private Übernachtungsmöglichkeit aufzutun – am besten bei Leuten, die die Geflüchteten am darauffolgenden Morgen auch zum Bus nach Dortmund (s.u.) begleiten können. Wenn es bei Euch nicht geht und Euch gerade niemand anderes einfällt, könnt Ihr Euch telefonisch an uns wenden und wir versuchen, eine geeignete WG o.Ä. aufzutun.

8. Zentrale Ausländerbehörde NRW in Dortmund (ZAB): Wenn die Menschen sich bei der Polizei gemeldet haben und wieder auf freien Fuß gesetzt worden sind, sind sie dort in der Regel mit Dokumenten ausgestattet worden, die ihnen sagen, dass sie sich bei der ZAB in Dortmund melden müssen. Die Anfahrtsbeschreibung auf diesen Dokumenten ist auf deutsch und nicht für alle verständlich. Vom Dortmunder Hauptbahnhof aus müssen die Geflüchteten mit der U-Bahn-Linie 49 (U49) in Richtung Hacheney fahren und an der Station Hacheney aussteigen; von dort beträgt der Fußweg noch 4 Minuten. Die Fahrt mit der U-Bahn dauert etwa 15 Minuten. Weist die Geflüchteten darauf hin, dass sie sich auf jeden Fall ein Ticket lösen sollten.
Am besten ist es, wenn Ihr die Registrierung bereits bei der hiesigen Polizei erledigt und den Leuten dann empfehlt, am Folgetag sehr früh morgens – mit dem erstmöglichen Bus – nach Dortmund zu fahren. So besteht für die Geflüchteten noch eine Chance, auch an dem Tag in Dortmund noch durch das Verfahren zu kommen ohne eine Nacht im ungewissen in Dortmund, möglicherweise auf der Straße, verbringen zu müssen.
Der günstigste Weg sind Fahrten mit Fernbussen. Der „Postbus“, den man online via Paypal oder Sofortüberweisung buchen kann, kostet um die 7 Euro. Bucht ihnen Tickets und druckt sie aus. Dabei müssen die Namen auf den Tickets angegeben werden. Wenn die Namen auf den Originaldokumenten in anderen Schriftzeichen (z.B. auf arabisch) geschrieben sind, dann können beim Zusteigen zum Bus die Dokumente von der Polizei, auf denen die Namen in lateinischem Alphabet stehen, herangezogen werden. Die Postbusse fahren ab an der Thomastraße, vom Schotterparkplatz neben den Bahngleisen. Wenn möglich begleitet die Menschen dorthin, wenn sie bei Euch übernachtet haben, damit sie auch im richtigen Bus ankommen.

Bitte denkt bei allen Hilfestellungen, die Ihr leistet, daran, dass Ihr es mit gleichberechtigten Menschen zu tun habt, die durch ungünstige äußere Umstände, für die sie sowenig können wie wir dafür, dass wir zufällig in Europa geboren wurden, in ihre Situation geraten sind. Es ist eine menschliche Pflicht, anderen Menschen in Not zu helfen – nicht mehr und nicht weniger. Wenn jemand „Nein“ zu etwas sagt, dann ist das immer und in jedem Fall zu respektieren.

Refugees Welcome Bonn e.V., 7. September 2015
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