Gestern, am Montag, 17. März, fand in den Räumen der Trinitatis-Kirche in Endenich eine von städtischen Vertretern ausgerichtete Informationsveranstaltung über die bevorstehende Unterbringung von AsylbewerberInnen im ehemaligen Seniorenheim „Paulusheim“ statt. Dabei sollten die Anwohner aus der Nachbarschaft des Heims seitens der Stadt Bonn über die Modalitäten der Unterbringung aufgeklärt und diesen auch Raum für Nachfragen geboten werden.
Da wir die Diskussionen rund um den dringend notwendigen Ausbau der Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete in Bonn, die derzeit teilweise in Obdachlosenunterkünften ausharren müssen, bereits länger interessiert verfolgt und kritisch begleitet hatten, nahmen auch einige von uns als Zuhörer an der Veranstaltung teil. Außerdem hatte sich bereits im Vorfeld abgezeichnet, dass die Politikerattrappen der rechtspopulistischen Möchtegernpartei Pro NRW die Veranstaltung instrumentalisieren würden, um hinsichtlich des anstehenden Kommunalwahlkampfs die von ihnen nur allzu bekannte fremdenfeindliche Stimmungsmache zu betreiben. Dass dieses verwerfliche Ansinnen komplett in die Hose ging, ist eines der erfreulichen Ergebnisse des Abends, das hier bereits vorweggenommen sei. Im Folgenden wollen wir unsere Eindrücke des Abends etwas genauer schildern.
Der Informationsabend war mit schätzungsweise 200 Personen erstaunlich gut besucht.
Nachdem die auf dem Podium sitzenden Vertreter der Stadt Allgemeines über die gesetzlichen Rahmenbedingungen von Asyl in Deutschland sowie die jüngeren Entwicklungen in Bonn vorgetragen hatten, wurde den Zuhörern im Publikum die Möglichkeit geboten, Fragen ans Podium zu richten. Während sich die meisten Fragen darum drehten, wie die Stadt beabsichtige, eine angemessene Betreuung der steigenden Zahl Asylsuchender zu gewährleisten, kam es nur sehr vereinzelt zu fragwürdigen, meist eher randständigen Bemerkungen einzelner Personen über einen angeblich drohenden Anstieg der Kriminalität, dem durch eine mangelhafte Unterstützung der Geflüchteten seitens der Stadt und einer damit einhergehenden Perspektivlosigkeit in Deutschland lebender Asylbewerber Vorschub geleistet werden könnte. Diese Fehlannahmen über eine angebliche „Ausländerkriminalität“ wurden vom Podium aus gekonnt entkräftet. Nichtsdestotrotz offenbarte sich in den Nachfragen ein – wenn auch teils stark verzerrtes – Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger, dass Asylsuchende ihr Dasein hierzulande oftmals unter menschenunwürdigen Bedingungen fristen. Gleichzeitig wurde vielfach der Wunsch nach einem guten nachbarschaftlichen Miteinander geäußert und und mögliche Strategien ehrenamtlichen Engagements erörtert.Letztere wurden von den Vertretern der Stadt euphorisch begrüßt. Mehrfach betonte die Integrationsbeauftragte das Angewiesensein der Stadt auf ehrenamtliche HelferInnen, was einmal mehr den etwas schalen Eindruck hinterließ, dass die Stadt Bonn nicht bereit ist, die nötigen Ressourcen aufzubringen, um ihrem gesetzlichen Auftrag der Unterbringung einer vorgegebenen Zahl von Asylsuchenden gerecht zu werden und stattdessen auf das unbezahlte Engagement von Freiwilligen setzt – eine Situation, die in anderen Bereichen wie der Umsetzung der Schulpflicht deutscher Kinder undenkbar wäre.
Allgemein lässt sich jedoch konstatieren, dass die Repräsentanten der Stadt bemüht waren, für Akzeptanz der bevorstehenden Unterbringung geflüchteter Menschen in Endenich zu sorgen, was allerdings zu unserer Freude angesichts der Stimmung im Publikum gar nicht allzu nötig erschien, da sich die überwiegende Mehrheit der Wortmeldungen uneingeschränkt positiv dazu äußerte. Das wurde einmal mehr deutlich, als sich einer der Politclowns von Pro NRW ungeachtet der Tatsache, dass die Karnevalzeit offiziell vorüber ist, mit einer frei erfunden Statistik über angeblich zur Kriminalität neigende Asylbewerber zu Wort meldete. Dieses „Argument“ wurde nicht nur seitens des Publikums mit vernehmlichem Unwillen aufgenommen, sondern auch in professioneller Manier von einem städtischen Vertreter entkräftet, woraufhin die sehr schmale Riege der rechtspopulistischen Fremdenfeinde wohl trotz aller Realitätsferne erkannte, dass ihr Kalkül, rassistische Ressentiments zu streuen, hier nicht einmal ansatzweise aufging und für den Rest des Abends verstummte. Ein anderes verqueres Statement kam von einem Mitglied der Verdi-Jugend, das über einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Banken, internationalen Konzernen und der kommunalen Asylpolitik schwadronierte und sich dabei auch nicht entblödete erneut die Legende von einer möglichen erhöhten Kriminalitätsanfälligkeit Asylsuchender aufzuwärmen – auch wenn er diese Äußerung in einen völlig anderen Kontext stellte als die rechten PRO NRW-Funktionäre.
Als sehr begrüßenswert blieben uns Äußerungen der Kirchenvertreter, der Organisation „Save Me“ und insbesondere des Vereins „Ausbildung statt Abschiebung“ im Gedächtnis. So korrigierte eine Vertreterin von „Ausbildung statt Abschiebung“ etwa eine Äußerung des Leiters des Amtes für Soziales und Wohnen, laut derer Asylsuchende in Deutschland grundsätzlich krankenversichert seien. Sie machte eindrücklich deutlich, dass dies mitnichten der Fall ist, sondern dass AsylbeweberInnen immer wieder aufs Neue für die Kostenübernahme ihrer Behandlungen beim Sozialamt vorstellig werden müssen und diese im Vergleich mit den regulären Krankenkassen auch nur sehr eingeschränkt – also nur bei absolut akuten Fällen – gewährt wird. Dass dieses Verfahren für die Gewährleistung einer angemessenen Gesundheitsversorgung sehr oft absolut unzureichend ist, bestätigt auch unsere Erfahrung im Umgang mit hier lebenden Asylsuchenden.
Kurz bevor sich die Veranstaltung nach ca. eineinhalb Stunden ihrem Ende näherte, machte ein Zuhörer auf die unhaltbare Situation aufmerksam, dass sich im Publikum mittlerweile auch ca. zehn militante Neonazis befanden, die ihn bereits beim Eintreten zu Beginn aufgrund seines leichten Akzents belästigt hatten. Auch wenn die Neonazis sich angesichts der offenbar ihnen alles andere als zugeneigten Stimmung unter den Anwesenden nicht trauten, sich in irgendeiner Weise zu äußern und sich stattdessen bloß im böse Gucken übten, war alleine ihre Anwesenheit ein Affront gegen jeden vernunftbegabten Menschen im Saal. Nachdem die Veranstalter leider nicht von ihrem Hausrecht Gebrauch machten, um die bekannten Neonazis, unter denen sich auch zu Haftstrafen verurteilte Gewaltverbrecher befanden, der Örtlichkeit zu verweisen, erhob sich im gesamten Raum ein vielstimmiger Chor von „Nazis raus“- Rufen, der ihnen einmal mehr vor Augen führte, dass sie hier unerwünscht waren.
Nachdem die Veranstaltung für beendet erklärt wurde, leerte sich der Saal rasch. Dabei entbehrte es nicht einer gewissen Ironie, dass die Neonazis angesichts zahlreicher anwesender AntifaschistInnen gelehrt wurden, wie schnell man in eine Situation geraten kann, in der man um Kirchenasyl ersucht: Sie trauten sich für eine geraume Weile nicht vor die Tür, sondern versteckten sich weiter im nun leeren Gemeindesaal – ein Verhalten, das in eklatantem Widerspruch zu ihrer zuvor gestenreich aber wortarm vorgetragenen Kraftmeierei stand. Schließlich wurden sie von der Polizei zu einem Taxi eskortiert, mit dem sie sich schnell aus dem Staub machten.
So nahm der Abend einen erfreulichen Ausklang, indem deutlich wurde, dass Bonn keinen Nährboden für neonazistische Umtriebe oder rechtspopulistische Fremdenfeindlichkeit bietet.