Der gemeinsam mit der studentischen Kulturgruppe “Globalisierung und Migration” und der Gruppe Phoenix organisierte Vortrag über die Flüchtlingsproteste 2012 (siehe unten) war erstaunlich gut besucht und förderte – gefolgt von einer regen Diskussion – interessante Aspekte zur Situation von Geflüchteten in Deutschland zutage.
Als Referent war Salomon Wantchoucou (Mitglied von THE VOICE, Refugee Forum & Flüchtlingsinitiative Wittenberg) aus Benin eingeladen. Er lebt zurzeit als Flüchtling in Wittenberg, hat die Flüchtlingsaktionen mitorganisiert und nahm am “Marsch nach Berlin” teil, der das Ziel hatte, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die oft äußerst üble Lage von Asylsuchenden in Deutschland zu lenken.
In seinem Vortrag bezeichnete er die Asylbewerber- und Flüchtlingsheime als „open prisons“, die gegen die Menschenrechte verstießen. Jahrelange Aufenthalte in überbelegten, improvisierten Sammelunterkünften traumatisierten die Betroffenen. Zusätzlich erniedrigt und stigmatisiert würden Flüchtlinge durch die Residenzpflicht, das Arbeitsverbot und einer Gutschein- statt Bargeldausgabe. Der Flüchtlingsmarsch auf Berlin war nicht zuletzt durch den Suizid von Mohammad Rahsepar in Würzburg angestoßen worden, der seine Situation nicht länger ertragen hatte. Dass Flüchtlinge in Deutschland so miserabel unterbracht werden, führte Salomon unter anderem darauf zurück, dass sich die Kommunen dieser Aufgaben gerne entledigen: Vielfach würden Verträge für Flüchtlingsunterkünfte an Privatfirmen vergeben, um die Kosten für diesen Bereich der Daseinsvorsorge zu drücken. Da die auftragnehmenden Firmen noch satte Gewinne erwirtschaften wollten, fielen die Ergebnisse entsprechend miserabel aus. (Siehe etwa hier)
Die politisch motivierten Flüchtlinge sind eine Minderheit. Die meisten Flüchtlinge hatten nach Aussage von Salomon Wantchoucou große Angst, dem Aufruf zum zivilen Ungehorsam zu folgen. Bislang gab es für die am Flüchtlingsmarsch Beteiligten (die teilweise gegen die Residenzpflicht verstoßen haben) jedoch noch keine straf- oder ausländerrechtlichen Konsequenzen. Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass diese noch folgen, wenn die Medienpräsenz nachlässt. Die Forderungen der Marschierer, die für alle Flüchtlinge kämpfen, formulierte Salomon Wantchoucou ganz klar:
1. Abschaffung der Residenzpflicht, weil diese die Menschenrechte verletzt.
2. Bargeld statt Gutscheine, um Flüchtlingen mehr Selbstbestimmungsrechte einzuräumen.
3. Recht, einer Arbeit nachzugehen.
Salomon Wantchoucou wertete den Marsch insgesamt als Erfolg, weil die langwierige Zusammenarbeit vieler Graswurzelbewegungen zu einer sehr medienwirksamen gemeinsamen Aktion geführt habe, die weiterhin fortbestehe. Sein Rat an deutsche Flüchtlingsinitiativen wie refugees.welcome lautete, den Flüchtlingen einen Anstoß zur Selbstorganisation zu geben. Nur so könne gewährleistet werden, dass die Flüchtlinge selbst ihre Anliegen und Bedürfnisse formulieren, die dann mit Hilfe der deutschen Solidaritätsinitiativen nach außen getragen werden könnten.
Kurzbericht zum Vortrag über die Flüchtlingsproteste des vergangenen Jahres
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