Nachdem wir bereits am vergangenen Montag einen Bericht unseres Kenntnisstandes der Vorfälle vom vergangenen Samstag, 1. August, lieferten (1), liegen uns mittlerweile weitere Informationen vor.
Am gestrigen Donnerstag fand ein mit um die 80 Personen gut besuchtes Treffen des Vereins aus Guinea stammender Menschen in Bonn (AREGUIB e.V.) statt, auf dem viele der Anwesenden ihr Entsetzen über den SEK-Einsatz am Endenicher Paulusheim ausdrückten. Der Verein steht in engem Austausch mit dem Opfer der Polizeischüsse und dessen Vorsitzender bestätigte uns gegenüber, dass das Opfer von acht Kugeln getroffen worden sei, darunter auch ein Treffer in den Nacken, der nur knapp die Wirbelsäule verfehlte. Das Opfer lag daraufhin vorübergehend im künstlichen Koma und ist immer noch nicht bei vollem Bewusstsein.
Auf dem Treffen wurde geäußert, dass noch bevor der 23-Jährige seinen Freund mit einem Messer verletzte, die Sicherheitsbediensteten des Paulusheims über dessen kritischen Zustand informiert und um Hilfe gebeten worden seien, dies jedoch ignoriert hätten.
Bei verschiedenen Versuchen unsererseits sowie seitens befreundeter Journalist_Innen, in Kontakt mit Polizei und Staatsanwaltschaft zu gelangen, um uns die vorliegenden Informationen auch von deren Seite bestätigen zu lassen, wurden uns weitestgehend die Auskünfte verweigert. Als schließlich ein Pressebeauftragter der Bonner Polizei erreicht werden konnte, verwies dieser darauf, keine Auskünfte erteilen zu dürfen, da das Ermittlungsverfahren mittlerweile in den Händen der Kölner Polizei sowie der Bonner Staatsanwaltschaft liege. Die einzige Information, die dem Pressesprecher zu entlocken war, bestand darin, dass es sich bei dem eingesetzten Kommando um das Düsseldorfer SEK gehandelt habe. Die Staatsanwaltschaft verweigerte jedes Gespräch gegenüber einer freien Journalistin mit der Begründung, dass diese keinen aktuell gültigen Presseausweis vorlegen könne.
Nachdem erst vor kurzem das Kölner SEK bundesweite Negativschlagzeilen machte (2), trifft es also in diesem Fall die Düsseldorfer Einheit. Auch sie fiel in der Vergangenheit bereits negativ auf, nachdem bei einer geplanten Festnahme 109 Schüsse auf einen im Auto sitzenden iranisch-stämmigen Geschäftsmann abgegeben worden waren. Auch in diesem Fall ermittelte die Kölner Polizei – und brachte es nach über vier Jahren zu keinem nennenswerten Ergebnis, u.A. weil die meisten der beteiligten Beamten zunächst die Aussage verweigerten (3).
Ein Grund mehr für uns gemeinsam mit dem Verein AREGUIB e.V. und mit der Unterstützung von Anwälten die kommenden Entwicklungen sehr genau zu beobachten.
Refugees Welcome Bonn am 7. August 2015
(1) https://www.facebook.com/welcomebonn/posts/468158896690759 oder http://welcome.blogsport.de/2015/08/03/sek-schiesst-fluechtling-vorm-paulusheim-nieder-wenig-klarheit-viele-offene-fragen/
(2) http://www.welt.de/politik/deutschland/article143155927/Die-brutalen-Stammesriten-der-Elite-Polizisten.html
(3) http://www.focus.de/politik/deutschland/muss-erst-einer-sterben-politik-und-polizei-versuchen-den-skandal-um-brutalen-sek-einsatz-einfach-auszusitzen_id_4659749.html