Redebeitrag: Solidarität mit allen Geflüchteten!

Für den morgigen Samstag rufen wir gemeinsam mit anderen Gruppen und Initiativen zu einer Demonstration unter dem Motto »Solidarität mit ALLEN Geflüchteten!« in Dortmund auf. Der Bonner Treffpunkt zur gemeinsamen Anresie per Zug ist um
*** 12:45 Uhr am Gleis 1 des Bonner Hbf ***

Wir werden uns an dieser Demonstration auch mit einem Redebeitrag beteiligen, den wir hier bereits veröffentlichen:

Liebe Freund*innen, liebe Genoss*innen!

Die derzeitige Lage für neu in Deutschland ankommende Asylsuchende ist katastrophal. Menschen werden in Einrichtungen untergebracht, die teilweise nicht einmal Decken haben – so auch geschehen vor wenigen Tagen in Bonn. Die Ausländerämter versehen – wenn überhaupt – weiter Dienst nach Vorschrift. Die weit überwiegende Zahl von Neuankömmlingen wird derzeit nicht einmal mehr registriert, was nicht nur weitreichende rechtliche Probleme in deren Asylverfahren nach sich ziehen kann, sondern sie auch in einem de facto rechtlosen Schwebezustand verharren lässt, während sie wochen- oder möglicherweise monatelang in improvisierten Zeltstädten verbringen müssen. Wie erschreckend sich die derzeitige Situation darstellen kann, hat die Bonner Polizei kürzlich demonstriert, als ein Beamter ankündigte, neu angekommene Geflüchtete sonntags aufgrund der dünnen Personaldecke über Nacht in Gewahrsam zu nehmen, um erst am nächsten Tag die Personalien zu erfassen.

Die Behörden berufen sich auf ihre eigene Überlastung durch eine Ausnahmesituation und versuchen, sich damit gegen jegliche Kritik zu immunisieren. Das derzeitige Problem ist dabei ein hausgemachtes. Über Jahre hinweg wurden die kommunalen und Landes-Ressourcen zur Aufnahme von Geflüchteten vorsätzlich heruntergefahren und nun steht man mit heruntergelassenen Hosen da, die eines industrialisierten Landes nicht würdig sind. Längst werden nicht alle möglichen und dringend benötigten Ressourcen aktiviert, um die Notsituation abzufedern. Mit dieser Politik muss endlich Schluss sein und es müssen unverzüglich die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um der derzeitigen Lage angemessen zu begegnen.

In den Medien wurde derweil zuletzt vor allem das ehrenamtliche Engagement von Bürger*innen gelobt. Dass auch offizielle Stellen in diesen Kanon einstimmen, ist in mehrerlei Hinsicht als zynischer Witz zu verstehen: so sind es die vernachlässigten behördlichen Kapazitäten, die das ehrenamtliche Engagement überhaupt so bitter notwendig machen, um Ankommenden etwas Menschenwürde zu ermöglichen. Bisweilen konnten Helfer*innen in den letzten Wochen den Eindruck gewinnen, dass die Kommunikation zwischen ehrenamtlichen Initiativen besser lief als zwischen den offiziellen Stellen. Das Bild des ach-so-freundlichen Deutschlands, in dem die Menschen nach ihrer strapaziösen Reise mit offenen Armen empfangen werden gerät aber vor allem in Schieflage, wenn in Betracht gezogen wird, dass nur wenige Tage nach all den positiven Schlagzeilen über die deutsche Hilfsbereitschaft die Grenzen dieses freundlichen Deutschlands erstmals wieder kontrolliert wurden und faktisch versucht wurde, die Außengrenze gegen Flüchtende zu verteidigen. Währenddessen laufen die Frontex-Operationen im Mittelmeer, an denen auch Schiffe der deutschen Marine beteiligt sind, wie gewohnt weiter – auch sie dienen der Verhinderung einer Einreise Flüchtender nach Europa. Und als wäre diese Abschottungspolitik noch nicht genug, legt die Regierung dieser Tage einen neuen Gesetzentwurf vor, nach dem Asylbewerber*innen nicht einmal mehr das Existenzminimum zugesichert bekommen – eine menschenwürdige Verpflegung wird auf einige Sachleistungen reduziert. Nachdem erst vor kurzem und nach jahrelangen Kämpfen ein paar spärliche und zaghafte Schritte in Richtung eines würdigeren Lebens für Geflüchtete in Deutschland gegangen wurden, wäre dies nun ein Rückschritt in die Steinzeit. Das ist das wahre Gesicht Deutschlands, in dem jüngst so viel Stolz auf die eigene Willkommenskultur propagiert wurde. Diese Scheinheiligkeit ist unerträglich!

Was dabei zudem oft unter den Tisch fällt ist, dass Asylsuchenden zugleich massive Hetze entgegenschlägt, und das nicht nur in den neuen Bundesländern. Täglich brennen mittlerweile Asylunterkünfte, von rassistischen Ausschreitungen wie in Bischofswerda, Heidenau, Freital und anderswo sowie einer Flut menschenverachtender Kommentare im Internet ganz zu schweigen. In dieser Situation den so oder so völlig indiskutablen Forderungen von Innenminister de Mazière sowie vor allem der CSU nachzukommen und Sonderlager für Balkanflüchtlinge einzurichten, wie es jetzt auch in NRW und auch in Bonn geschehen soll, kann nicht anders als zynisch und menschenverachtend bezeichnet werden. Solche Vorgänge sollten dringend dazu mahnen, endlich das gesellschaftliche Rassismusproblem anzugehen, statt nationalistische Augenwischerei zu betreiben. Anstelle von Stolz auf die angeblich so deutsche Hilfsbereitschaft sollte lieber gefragt werden, wie Rassismus und Diskriminierung in jeglicher Form effektiv entgegentreten werden kann! Wie kann es sein, dass im Dortmunder Hauptbahnhof ankommende Geflüchtete von Helfer*innen mit »Deutschland, Deutschland!«-Sprechchören empfangen werden, während einige Kilometer entfernt Neonazis versuchen, die Situation für ihre Propaganda auszunutzen? Statt die derzeitige Situation sozialer Kälte, wie sie eisiger kaum sein könnte, zu einem romantischen Spätsommermärchen zu verklären, muss dem nationalen Ungeist viel grundsätzlicher begegnet werden.

Wie tief verankert rassistisches Gedankengut ist, lässt sich aber nicht nur an der erschreckenden Häufigkeit rassistisch motivierter Gewalttaten und der riesigen Zahl von Initiativen sogenannter »besorgter Bürger*innen« ablesen. Auch in anderen Kreisen lassen sich immer wieder rassistische Äußerungen vernehmen: So sagte Sören Link, der Oberbürgermeister Duisburgs, kürzlich auf einer Flüchtlingskonferenz der SPD, dass er gerne das »Doppelte an Syrern« hätte, wenn er dafür »ein paar Osteuropäer« abgeben könne (1). Besonders widerlich an dieser ohnehin untragbaren Aussage ist, dass hier ein rassistisches Vorurteil gegen ein anderes ausgespielt wird; wer die Zusammensetzung von Duisburgs Bevölkerung ein wenig kennt, sieht sich hier mit einem Paradebeispiel antiziganistischer Hetze konfrontiert. Es ist unerträglich, dass alles, was einigen zu ihrer eigenen Überforderung mit den gegenwärtigen Herausforderungen einfällt, rassistische Ressentiments sind. Es gibt offensichtlich noch einen weiten Weg zurückzulegen, bis endlich ein Mindestmaß an Zivilisation im Umgang mit vermeintlich Fremden hier Einzug hält.

Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Hilfsbereitschaft, die sich vor allem in den letzten Wochen zeigt. Wir freuen uns sehr, dass ein großer Teil unserer täglichen Arbeit inzwischen die Weitervermittlung hilfsbereiter Menschen an die richtigen Stellen ist. Das Ausmaß der Unterstützung ist sehr begrüßenswert. Zeitgleich können wir uns dann über manche Anfragen nur wundern – wenn Leute etwa nur Menschen spezifischer Nationalitäten unterstützen wollen. Wir distanzieren uns in aller Deutlichkeit von einer wie auch immer gearteten Unterscheidung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft! Wir freuen uns sehr über alle Menschen, die mit uns etwas gegen das in jeder Hinsicht unzulängliche Asylsystem und den rassistischen Alltag in Deutschland unternehmen wollen und mit Geflüchteten gemeinsam aktiv werden wollen. Dabei muss die Forderung aber bleiben: Solidarität mit allen Geflüchteten! Für eine Kultur des Miteinanders auf Augenhöhe und eine offene Absage an Deutschland!

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(1) http://www.derwesten.de/region/sauer-und-siegerland/lieber-doppelt-so-viele-syrer-als-ein-paar-osteuropaeer-aimp-id11104371.html

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