Überblick über verschiedene Aktivitäten der letzten Zeit

Hier ein Text unserer Freundin und Unterstützerin Barbara über verschiedene Aktivitäten, die sie zusammen mit anderen in der jüngeren Vergangenheit mit Geflüchteten durchgeführt hat.
(Die Bildrechte der Fotos liegen bei Barbara; Gesichter wurden wie immer zwecks Wahrung der Persönlichkeitsrechte unkenntlich gemacht)

Lasst die BewohnerInnen von Flüchtlingheimen nicht allein!

Wir sind vier – vier Menschen in Umbruchsituationen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Hautfarbe, Geschlechts, Herkunft und Beruf. Wir haben zusammen genommen viel erlebt, aber das, was Flüchtlinge im Moment in deutschen Flüchtlingswohnheimen erleben und erdulden müssen, das ließ und schon vor dem aktuellen European Homecare – Skandal hellhörig werden.
So begannen wir zu überlegen, wie wir uns solidarisch zeigen können und wie wir den Geflüchteten zeigen können, dass sie uns willkommen sind. Da wir kaum Flüchtlinge kennen, beschließen wir, als erstes kleine Kunst- und Sportaktivitäten vor einem der Unterkünfte anzubieten, weil Kunst und Sport immer Menschen verbindet – unabhängig von Sprache und Kultur. Der Verein REFUGEES WELCOME ermuntert uns, ein kleines Konzept zu schreiben und unterstützt uns bei den anfänglichen Fragestellungen.

Am 22.08.2014 starten wir mit einer Kunstaktion vor einer Flüchtlingsunterkunft in Bonn. Wir wollen den Geflüchteten die Möglichkeit geben, uns vom Haus aus zu beobachten, uns kennen zu lernen und dazu zu kommen, wann sie möchten und wie lange sie möchten. Als Tisch bietet sich eine alte Tischtennisplatte vor dem Haus an, die wir mit zwei Tapeziertischen erweitern. Wir packen Papier und Farben aus und ohne viele Worte kommen die Kinder – ungefähr 15 – aus den kleinen Zimmern des Wohnheims herunter und malen, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Ein paar Jugendliche und auch drei Erwachsene gesellen sich ebenfalls hinzu. Währenddessen haben wir eine Leine an der Hauswand entlang gespannt und beginnen, die getrockneten Bilder aufzuhängen. Einige Kinder sind voller Bewegungsdrang, toben herum und spielen in den Malkitteln Gespenster und Comic-Helden. Sie nehmen die Farben, bemalen sich gegenseitig die Gesichter und versuchen, möglichst gruselig auszusehen. Sie spielen auch nach, wie es ist, tot zu sein und werfen sich mit Geschrei zu Boden.
Zum Schluss schauen wir uns zusammen noch einmal die über 40 entstandenen Bilder an. Die Kinder staunen über die kleine bunte Ausstellung an ihrem Haus und sind stolz, als sie noch einmal ihre eigenen Werke zeigen können.
Ein paar Eltern bitten uns um Schulmaterial für ihre Kinder.

Zwei Wochen später, am 06.09.2014, finden wir uns wieder vor der Flüchtlingsunterkunft ein und haben diesmal einen Fußball dabei. Die Kinder kommen herunter und wir gehen gemeinsam zum Fußballplatz in der Nähe. Wir bilden zwei Mannschaften, aber alles spielt kreuz und quer mit Hand und Fuß. Da ist es besser, einen Kreis zu bilden und erst mal kicken zu üben. Nach zwei Stunden in der Herbstsonne sind alle geschafft und wir gehen nach hause zurück. Noch auf dem Fußballplatz liegt am Rand ein Lederfußball und die Kinder würden ihn gerne haben. Wir fragen alle Besucher und Fußballer am Platz, wem der Ball gehört und die ermuntern die Kinder „Ach, der Ball liegt schon tagelang hier, den könnt Ihr mitnehmen, der gehört keinem mehr.“ Die Kinder kicken ein wenig mit dem Ball auf dem Heimweg, bis einer meint „Nee, lass’ uns den Ball nicht mitnehmen – nachher kommt das Jugendamt und wenn die den Ball bei uns finden….“. Die Kinder legen den Ball so an den Straßenrand, dass andere Kinder ihn finden können und gehen weiter nach hause.
Von den Eltern werden wir danach noch zum Kaffee eingeladen.

Am 13.09.2014 schließen wir uns einer Aktion an, die eine andere Unterstützerin der REFUGEE WELCOME – Gruppe organisiert hat, dem Besuch im Haus der Geschichte. Es sind sicher um die 30 Flüchtlinge, die mit uns die Fundstücke im Haus ansehen. Für die Kinder wird ein kleiner Film aus der Serie „Die Sendung mit der Maus“ gezeigt, der sich auch mit der deutschen Geschichte beschäftigt. Die 5er – Tagestickets können ein paar junge Erwachsene im Anschluss noch nutzen, um den Abend in Bonn zu verbringen.

Die nächste Aktion ergab sich durch Freikarten des Zirkus Busch, die wir erhielten. Leider waren die Karten nur für Erwachsene und auch nur für eine ganz bestimmte Abendvorstellung. Am Tag des freien Eintritts, dem 01.10.2014, war es dann nur einem Vater möglich, mitzugehen. Er wollte einfach auf gut Glück seinen Sohn mitnehmen und wir zogen los. Auf dem Weg zur Bahn erzählte der Vater, der gut Deutsch spricht, dass er eigentlich mitgekommen sei, weil er Angst vor Abschiebung habe und er wolle mal in Ruhe seine Geschichte erzählen und unseren Rat hören. So disponierten wir um, gingen gemeinsam in ein Eiscafé und er erzählte von sich und seiner prekären Lebenssituation mit Frau und vier Kindern. Wir vermittelten ihm mit Hilfe der REFUGEES WELCOME eine gute Anwältin in Bonn und letzte Woche hatte er seinen ersten Termin dort.

Am 12.10.2014 unternahmen wir eine Schnitzeljagd mit 10 Kindern aus unterschiedlichen Unterkünften. Für die Kinder ergaben sich vielfältige Erfahrungsmöglichkeiten: sie hatten Geschicklichkeits- und Gruppenaufgaben zu lösen, bei denen es keine Sieger gibt. Zwei Beispiele:
– Schnur durch die Gruppe ziehen: Es wird eine lange Schnur oder ein Seil durch die gesamte Gruppe gezogen. Alle stellen sich nebeneinander auf. Dabei geht es zum linken Ärmel herein und aus dem rechten Ärmel wieder heraus. Danach geht die Schnur im selben Ablauf bei der nächsten Person wieder hinein. Die Schnur muss immer nachgezogen werden. Nicht einfach grob ziehen, das kann weh tun, sondern jeder versucht die Schnur nachzuziehen.
– Einen Seemannsknoten anhand einer Abbildung nachknoten: Es wird mit einem Schnürsenkel an einem Ast ein Knoten geknotet, der genau der vorgegebenen Zeichnung entspricht.
Am Ziel der Schnitzejagd angekommen gab es ein kleines Picknick und der Rückweg beinhaltete eine Pause auf einem nahe gelegenen Kletterspielplatz.

Am 13.10.2014 begleitete eine von uns mehrere Flüchtlinge zur Essensausgabe der Bonner Tafel. Es gibt ca. 500 „abholberechtigte Einzelhaushalte“, die einen roten Ausweis mit Nummer haben und in der Mackestraße an der Lebensmittelvergabe teilhaben dürfen. Vom Flüchtlingwohnheim aus ist es eine ca. 45-minütige Busfahrt bis zur Lebensmittelausgabe. Man wartet unter freiem Himmel in einem gepflasterten Areal, auf dem ein paar Bierbänke aufgestellt sind, mit seinen Tüten oder Einkaufstrolleys, bis die eigene Nummer aufgerufen wird. Manchmal lohnt sich die Warterei, manchmal lohnt das Ergebnis die lange Fahrt eher nicht – aber das weiß man nie vorher….

Nach diesen Unternehmungen mit Geflüchteten drängt sich die Notlage der Menschen stärker in unser Bewusstsein: Es sind vor allem Menschen aus dem ehemalige Jugoslawien, die sich Sorgen um ihre Zukunft machen und vor einer Ablehnung ihres Asylverfahrens große Angst haben. Sie haben wenig Gelegenheit, die deutsche Sprache zu üben, weder genug Geld, um sich gesund zu ernähren, noch um die Kinder angemessen für die Schule auszustatten. Zu hause gibt es keinen Platz zum Lernen und keinen Schreibtisch. Die meisten Geflüchteten haben schlechte Schuhe und können sich keine gute Kleidung leisten. Sie leben ohne Krankenversicherungskarte, ohne Arzt und häufig ohne Vorsorge. Der Zugang zu psychiatrischen Hilfen, die aufgrund der Kriegs- und Bedrohungserfahrungen angezeigt sind, ist erschwert. Der Zugang zu Kultur ebenfalls. Ihnen fehlt einfach das Geld, um in die Stadt zu fahren, ins Kino zu gehen oder einen Deutschkurs zu machen. Auch Internet würde Geld kosten und so hat kaum einer der Bewohner Internet. Wer einen Anwalt im Asylverfahren haben möchte, muss diesen neben dem wenigen Geld, das Asylsuchenden zusteht, aus eigener Tasche bezahlen. Arbeiten dürfen sie auch nicht. So sind die meisten Geflüchteten tagtäglich in ihrem Heim, versorgen ihre Kinder und leben in Sorge um ihre nahe und ferne Zukunft. Jeder kennt jemanden, der bereits abgeschoben wurde.
Wie kann es sein, dass Menschen in unserem Land so leben müssen?

Im Jahr 2013 wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insgesamt 127.023 Asylanträge gestellt, das ist die höchste Anzahl von Asylanträgen seit 14 Jahren und eine Steigerung gegenüber 2012 um ca. 64 %.( siehe Pressemitteilung des BAMF)

Und TROTZDEM: In Deutschland lebten 2013 ca. 80,8 Millionen Menschen. Das bedeutet, dass 2013 ein Anteil von ungefähr 0,15 % der Bevölkerung in Deutschland Menschen waren, die einen Asylantrag gestellt haben. (rund 110.000 Asylerstanträge und 17.000 Folgeanträge).

Wieso schaffen wir es nicht, diese Menschen willkommen zu heißen und sie beim Hineinwachsen in unser Land freundlich zu begleiten?

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