Was ist los im Flüchtlingslager Burbach?

Vorwürfe von Vergewaltigung einer schutzbedürftigen Geflüchteten durch Sicherheitsdienstmitarbeiter, Zeugenbedrohung, durch Bedienstete organisierte mutmaßliche Prostitution und systematische Unterlaufung von Unterbringungsstandards im Flüchtlingslager in Burbach (bei Siegen)

Innerhalb der letzten drei Tage erlangten wir Kenntnis von äußerst schwerwiegenden Vorwürfen gegenüber einzelnen Mitarbeitern des DRK und der Siegener Sicherheitsfirma Bewa Security GmbH aus dem Flüchtlingslager in Burbach bei Siegen. Besagtes Lager hatte bereits 2014 für negative Schlagzeilen durch Misshandlungsvorwürfe gegen Sicherheitsbedienstete gesorgt.

Die im Folgenden wiedergegebenen Vorwürfe sind der Polizei zumindest in Teilen seit Anfang Juni bekannt, es läuft mindestens ein Ermittlungsverfahren. Öffentlich wurden sie bislang nicht. Dies wollen wir mit dem vorliegenden Bericht ändern.

Die folgenden Schilderungen beruhen auf der Aussage zweier Zeugen, die auch im Ermittlungsverfahren der Siegener Polizei als Zeugen aufgetreten sind und die sich derzeit in Bonn befinden. In den vergangenen zwei Tagen haben wir ausführlich und lange, auch unter Hinzuziehung eines Übersetzers und eines Mitarbeiters der Arnsberger Bezirksregierung aus Burbach, der Anfang Juni Anzeige erstattet hatte, sowie im Beisein der Landtagsabgeordneten Simone Brand von der Piratenfraktion mit den Zeugen gesprochen und wollen an dieser Stelle nun deren Schilderungen wiedergeben.
Da uns bisher – mit Ausnahme des Mitarbeiters der Bezirksregierung – nur eine Seite der Geschichte bekannt ist, möchten wir darauf hinweisen, dass wir uns die Schilderungen der Zeugen hier nicht zu eigen machen, auch wenn sie einen sehr sachlichen und konsistenten Eindruck auf uns machen. Es ist die Aufgabe der Ermittlungsbehörden sowie mittlerweile über den Fall informierter JournalistInnen, diesen Komplex von Vorwürfen weiter zu recherchieren und auch die Gegenseite dazu zu befragen. Der Text ist der besseren Lesbarkeit halber dennoch nicht durchgängig im Konjunktiv gehalten.

Aufgrund der Schwere der Vorwürfe würden wir es sehr begrüßen, wenn sich diesbezüglich ein öffentliches Aufklärungsinteresse regte. Dazu stehen wir für etwaige Fragen von JournalistInnen gern unter folgender E-Mail-Adresse zur Verfügung: burbach.rwb@gmail.com

Die nun folgende Schilderung wird der Verständlichkeit halber damit beginnen, wie wir mit den Zeugen in Kontakt gerieten und dann versuchen, die chronologische Abfolge der Ereignisse so nachzuzeichnen wie sie uns am Sonntag, 26. Juni, in einem mehrstündigen Gespräch von den beiden Zeugen vermittelt wurde.

Die Namen der meisten involvierten Personen liegen uns vor, werden jedoch mit dem jeweiligen Anfangsbuchstaben abgekürzt (sofern nicht anders gekennzeichnet).

Am vergangenen Freitag, 24. Juni, erreichte uns die Mitteilung, dass zwei albanische Geflüchtete in der Landesunterbringung in Bonn-Bad Godesberg (Muffendorf) mit Sack und Pack auf die Straße gesetzt worden waren, nachdem sie dort nur eine Nacht verbracht hatten und dass die beiden, Brüder, Zeugen in einem Ermittlungsverfahren gegen Bedienstete aus der Landesunterbringung in Burbach seien. Sie hatten bereits einige Stunden mit ihren drei schweren Koffern und ohne Geld am Bonner Hauptbahnhof verbracht, nachdem sie durch den Verweis aus dem Muffendorfer Lager de facto obdachlos geworden waren.
Daraufhin begab sich jemand unseres Vereins zum Bahnhof und sorgte zunächst für eine private Unterbringung in Bonn für das Wochenende. Der Kontakt war durch eine Mitarbeiterin der Piratenfraktion im Düsseldorfer Landtag zustande gekommen, die bereits am Tag zuvor zusammen mit der Abgeordneten Simone Brand mit den beiden Zeugen sowie einem Bediensteten der Bezirksregierung, der auch Anfang Juni die o.g. Anzeige wegen mutmaßlicher Vergewaltigung durch Sicherheitsbedienstete erstattet hatte, zusammengetroffen war, um sich ein Bild der Lage zu verschaffen. Der Mitarbeiter der Bezirksregierung, dem der Anstoß für die Aufklärung der Burbacher Zustände zu verdanken ist, wird im Folgenden zum Schutze seiner Person als „Herr X.“ bezeichnet.
Die Verständigung mit einem der Brüder war halbwegs auf Englisch möglich und so zeichnete sich bereits am Freitag für uns ein erschreckendes Bild der Lage. Daraufhin entschlossen wir uns – in Absprache mit den Zeugen – den Kontakt zur Öffentlichkeit zu suchen und trafen die beiden am Samstag erneut, diesmal bereits im Beisein einer Journalistin jedoch noch ohne Übersetzer. Angesichts der Schwere der Vorwürfe und einer gewissen bestehenden Sprachbarriere entschlossen wir uns, am darauffolgenden Sonntag Nachmittag ein gemeinsames Treffen mit den beiden Zeugen, einem Albanischübersetzer, dem Mitarbeiter der Bezirksregierung Herrn X. sowie der Abgeordneten Brand und zwei JournalistInnen in Bonn zu arrangieren.

Was dort zur Sprache kam, wird nun im folgenden Verlauf nach bestem Wissen und Gewissen wiedergegeben.

Anfang Februar beobachtete einer der beiden Anfang bis Mitte Zwanzig Jahre alten Brüder, wie eine auch albanisch sprechende Frau – das mutmaßliche spätere Opfer, mit der er sich auch aufgrund der gemeinsamen Sprache gut verstand – außerhalb des umzäunten Geländes des Burbacher Lagers seiner Meinung nach durch Alkohol und/oder möglicherweise K.O.-Tropfen betäubt und kurz darauf ohnmächtig wurde und dann von Sicherheitsbediensteten weg zu einem Auto, einem schwarzen Mercedes, gebracht wurde. Dazu sei gesagt, dass der Großteil des Lagers – eine ehemalige Kaserne – zwar umzäunt ist, sich jedoch auch noch Teile des Lagers außerhalb dieser Umzäunung befinden – etwa das besagte Haus, vor dem sich die Szene abspielte. Daraufhin überstieg der Zeuge den Zaun, um der Frau beizustehen, wurde jedoch von an der Aktion beteiligten Sicherheitsbediensteten festgehalten und zu einem anderen Haus auf dem Gelände weggeführt. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde er von den Sicherheitsbediensteten eingeschüchtert, er solle ja nichts von dem, was er sah, weitersagen.
Der Zeuge wandte sich dennoch danach an die im Lager tätige Sozialberaterin S., die seine Schilderungen jedoch mit der Behauptung abwiegelte, das mutmaßliche Opfer sei „kein Kind mehr“. Die Frau blieb die folgenden zwei Tage verschwunden. Während dieser Zeit hat der Zeuge immer wieder in der Anlage nach ihr gesucht und ihr Zimmer aufgesucht, um zu schauen, ob sie wieder da sei. Zwei Tage nach ihrem Verschwinden tauchte die Frau, nur mit einem Schlafanzug bekleidet, der ihr von den Sicherheitsbediensteten gegeben worden sei, die ihr zugleich ihre normale Kleidung weggenommen hätten, abends/nachts beim Zimmer des Zeugen wieder auf. Sie teilte mit, dass sie sich an die vergangenen zwei Tage quasi nicht erinnern könne bis sie vollkommen entkleidet wieder aufwachte – in einem anderen Asylbewerberheim, vermutlich in Siegen. Auch ihr sei von den Sicherheitsbediensteten, die sie mitgenommen hätten, eingetrichtert worden, bloß nicht über das ihr Zugestoßene zu reden.

Die Sozialberaterin S., an die sich der Zeuge bereits nach dem Verschwinden des mutmaßlichen Opfers gewandt hatte, hatte auch an diesem Abend Schicht und das mutmaßliche Opfer wandte sich an diese, doch auch bei dieser Gelegenheit wiegelte Frau S. erneut ab.

Nicht nur die Kleidung sei dem mutmaßlichen Opfer von den Sicherheitsbediensteten in den zwei Tagen der Abwesenheit abgenommen worden, sondern auch deren Handy. Beim Versuch, es wiederzuerlangen, war die Frau zunächst erfolglos; später als sie sich mit Nachdruck und gemeinsam mit dem Zeugen erneut darum bemühte, sei es ihr ausgehändigt worden.
Auf das Betreiben eines Verfahrensberaters im Lager sei die mutmaßliche Geschädigte in eine andere Stadt verlegt worden.

Nachdem der zu Anfangs erwähnte Mitarbeiter der Bezirksregierung Herr X. Kenntnis über die Vorwürfe erlangte, begann er, eigene Nachforschungen durch Befragungen von Mitarbeitern des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in der Unterkunft anzustellen, ob es weitere Fälle dieser Art gegeben habe. Daraufhin stieß er auf Aussagen, denen zufolge einzelne DRK-Mitarbeiter sowie Sicherheitsbedienstete mehr oder weniger systematisch die mutmaßliche Prostitution von schutzbedürftigen Frauen organisiert hätten. Dies sei u.a. durch die Anmietung von Wohnungen oder Räumlichkeiten geschehen, in denen die Prostitution dann vollzogen worden sei. Ob es sich dabei um Prostitution im eigentlichen Sinne, d.h. gegen Geldleistungen, oder um Nötigungen mithilfe von Druckmitteln oder unter Ausnutzung der Notlage der oftmals abschiebungsbedrohten Frauen gehandelt habe, ist bislang unklar.
Auch solle dem ehemaligen stellvertretenden Betreuungsleiter des DRK in Burbach aufgrund des Umstandes gekündigt worden sein, dass er ein mehrmonatiges Verhältnis mit einer weiblichen Geflüchteten unterhalten habe. Dies habe sich Ende 2015 abgespielt und sei dem DRK bekannt gewesen. Zudem soll ein anderer Mitarbeiter bereits in der Vergangenheit Bericht über ähnliche Vorkommnisse bei der DRK-Zentrale in Münster erstattet haben.

Herr X. erstatte infolgedessen am 6. Juni Anzeige bei der Siegener Polizei, die daraufhin zu ermitteln begann. Kurz darauf wurden die o.g. Zeugen polizeilich befragt.

Nach den Zeugenaussagen bei der Polizei sollen die beiden Zeugen systematisch eingeschüchtert und bedroht worden sein, wie im Folgenden geschildert wird.

Die zuständige Kommissarin der Siegener Polizei habe den Zeugen gegenüber gesagt, dass sie sich im Folgenden stets direkt an sie bzw. die Polizei, nicht ans DRK oder andere Bedienstete des Heims wenden sollten.
Am Tag nach den Zeugenaussagen bei der Polizei sei die in Burbach tätige Bedienstete der Bezirksregierung Frau M. gemeinsam mit der bereits zuvor erwähnten Frau S. (die bzgl. der Schilderungen der mutmaßlichen Entführung nur abgewiegelt hatte) zu den Zeugen gekommen, um in Erfahrung zu bringen, was diese bei der Polizei ausgesagt hätten. Die Zeugen wollten keine Auskunft geben, woraufhin Frau S. etwa im 30-Minuten-Takt wieder kam, um die Zeugen dazu zu drängen, Frau M. Auskunft über die gemachten Aussagen zu erteilen. Letztlich begaben sich die Zeugen dann auf Drängen der Frau S. ins Büro von Frau M. von der Bezirksregierung, die daraufhin alle anderen zu diesem Zeitpunkt anwesenden Personen aus dem Raum schickte. Frau M. habe sich dann entgegen ihrer sonstigen Art überraschend freundlich gegeben, etwa Getränke angeboten. Der Zeuge sagte, dass Frau M. sich selbst an die Polizei wenden solle, wenn sie Auskunft wolle; er würde ihr nichts sagen. Der Betreuungsleiter des DRK Herr H. sei dann dazugestoßen und habe auch versucht, Druck auf den Zeugen auszuüben, damit er ihm und Frau M. Auskunft über seine Aussagen bei der Polizei erteile.

Just in diesem Moment habe die zuständige Polizeikommissarin den Zeugen angerufen, was ihm die Möglichkeit bot, der Situation zu entweichen. Auch in den folgenden Tagen habe Frau S. immer wieder versucht, die Zeugen zu Frau M. ins Büro zu schicken. Nachdem die Zeugen dem nicht nachgaben, sei ersichtlich geworden, dass Frau M. nun alles darauf anlegte, sich ihrer zu entledigen, indem sie sie von Burbach weg verweist. Unter anderem habe sie die Brüder im Beisein anderer als „Scheiß Albaner“ und „Kriminelle“ beschimpft.

Am vorvergangenen Samstag, 18. Juni, hatten sich die beiden Zeugen gemeinsam mit einem weiteren albanischen Geflüchteten sowie anderen Geflüchteten im nahegelegenen Dorf aufgehalten. Bei der Rückkehr zum Heim sollten nur die beiden Brüder sowie der andere Albaner an der Pforte von den Sicherheitsbediensteten kontrolliert, d.h. durchsucht, werden. Einer der beiden Zeugen verweigerte dies. Es ist nicht unüblich, dass gelegentlich Geflüchtete an der Pforte kontrolliert werden, wenn etwa der Verdacht vorliegt, dass sie Alkohol mit in die Einrichtung nehmen, was der Hausordnung widerspricht. Die Durchsuchung darf allerdings nicht unter Zwang durch die Sicherheitsbediensteten geschehen, sondern es muss – soll die Durchsuchung unbedingt stattfinden – die Polizei hinzugezogen werden.
Nachdem der Zeuge der freiwilligen Durchsuchung nicht zustimmte, da er dafür keinen Anlass sah und dies auch vor dem Hintergrund, dass von anderen Anwesenden keine Durchsuchung gefordert wurde, als Schikane empfand, riefen die Sicherheitsbediensteten einen Sozialbetreuer hinzu, der bestätigte, dass sie keine zwangsweise Durchsuchung durchführen dürften, woraufhin der Zutritt zum Heim gestattet wurde.
Danach jedoch seien stündlich Sicherheitsbedienstete zum Zimmer des Zeugen gekommen, was er als Einschüchterung empfand. Aufgrund des Drucks und des angestauten Frusts über die Behandlung durch den Sicherheitsdienst sowie Bedienstete der Bezirksregierung wie Frau M. und die Sozialbetreuerin S. begab sich der Zeuge erneut ins Dorf, wo er sich eine Flasche Wodka kaufte, die er später im Heim gemeinsam mit seinem Bruder und zwei weiteren Personen konsumierte. Einer der Beteiligten, hier im Folgenden Y. genannt (Name liegt vor), war im Haus 7 außerhalb des Zauns (für besondere Fälle) untergebracht, weil er in der Vergangenheit bereits einmal Herzprobleme gehabt hatte. Die Zeugen begleiteten ihn nach dem gemeinsamen Trinken gegen 2 Uhr nachts zurück zu seiner Unterkunft, wo sie sich verabschiedeten. Danach legten sich die Zeugen schlafen.

Um etwa 4.20 Uhr in derselben Nacht, d.h. ca. zwei Stunden später, stürmten Sicherheitsbedienstete das Zimmer der Zeugen, bezichtigten sie, Y. geschlagen zu haben und riefen die Polizei. Y. war zuvor aufgrund von Trunkenheit, möglicherweise in Zusammenhang mit seiner Vorerkrankung ins Krankenhaus gebracht worden. Als die Polizei eintraf wiederholten die Sicherheitsbediensteten die Beschuldigung gegen die Zeugen, die jedoch mit Y. ein freundschaftliches Verhältnis pflegten und gar nicht wussten, wie ihnen geschah. Sie bestritten die Vorwürfe, die offenbar auch durch die Befragung Y.s durch die Polizei nicht erhärtet werden konnten. Gegen 7 Uhr morgens meldete sich einer der Zeugen telefonisch bei Y., um ihn zu fragen, was los sei. Y. habe ihm gegenüber dann ausgesagt, ihn nicht einer solchen Tat bezichtigt zu haben und dies auch der Polizei mitgeteilt zu haben. Es sei wohl auch keine Anzeige von der Polizei aufgenommen worden und Y. sei auch am Folgetag wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden. Auch danach sei der Umgang der Zeugen mit Y. weiterhin ein freundschaftlicher gewesen.

Eine Stunde später – die Zeugen lagen mittlerweile wieder in ihren Betten – betrat Frau M. deren Zimmer und sagte den Zeugen, sie hätten zehn Minuten, um ihre Sachen zu packen, weil sie nun aus Burbach weggeschickt würden. Dabei sollten die Brüder getrennt werden: Der eine sollte nach Köln, der andere nach Bonn gebracht werden. Der eine Zeuge bat darum, sie möge ihnen doch mehr Zeit geben, da sie die ganze Nacht nicht geschlafen hätten. Daraufhin habe Frau M. ihm die Bettdecke weggezogen. Auch Sicherheitsbedienstete seien zu diesem Zeitpunkt anwesend gewesen. Frau M. habe dann gedroht, die Zeugen polizeilich aus dem Heim entfernen zu lassen, woraufhin der eine der beiden erwiderte, dass Sonntags gar keine Transfers stattfinden (dürften). Außerdem sei Frau M. als Mitarbeiterin der Bezirksregierung Sonntags gar nicht im Dienst. Letzteres wurde auch von Herrn X. von der Bezirksregierung bestätigt.
Frau M. rief dann die Polizei hinzu, während der Zeuge, der ihr widersprochen hatte, von Sicherheitsbediensteten festgehalten wurde. Die eintreffenden Polizeibeamten hätten dann bestätigt, dass die Zeugen dem Y. nichts getan hätten, wie nachts zuvor behauptet worden war und dass der Zeuge in Burbach bleiben könne. Frau M. sei daraufhin förmlich aus der Haut gefahren, die Polizisten blieben jedoch bei ihrer Einschätzung der Situation.

Am darauffolgenden Donnerstag, 23. Juni, war einer der Zeugen in einem nahegelegenen Kiosk zum Kaffeetrinken, als plötzlich Sicherheitsbedienstete dorthin gekommen seien, um ihm zu sagen, dass Frau M. ihn sprechen wolle. Der Zeuge leistete der Aufforderung Folge und begab sich in das Büro von Frau M. woraufhin Sicherheitsbedienstete die Tür von außen abgeschlossen hätten. Der Zeuge wollte dann seinen Bruder anrufen, um ihn zu warnen, nicht auch zu Frau M. zu gehen, aber einer der Sicherheitsbediensteten nahm ihm sein Handy weg. Kurz darauf wurde auch der Bruder ins Büro gebracht. Außerdem sei ein Sozialberater des DRK als Übersetzer anwesend gewesen. Der eine Zeuge fragte, was denn los sei. Der Dolmetscher antwortete ihm, er habe keine Ahnung. Frau M. sagte dann, dass die beiden Zeugen nun endlich aus dem Heim fliegen würden. Außerdem anwesend gewesen sei der neue Leiter der Unterbringung von der Bezirksregierung, der erst am Montag davor seinen Dienst dort angetreten hatte.
Frau M. sagte, die beiden Zeugen hätten zwei Möglichkeiten: Entweder sie verließen das Heim freiwillig oder würden unter Anwendung von Zwang zur Notunterkunft Staumühle in Hövelhof gebracht. Die Zeugen sahen sich nun genötigt, „freiwillig“ ein Dokument zu unterschreiben, was vermutlich eine Rechtsbelehrung war. Danach wurden sie von Sicherheitsbediensteten zu ihrem Zimmer begleitet. Frau M. habe ihnen ihre Ausweisdokumente des BAMF weggenommen, sodass ihnen nur eine Kopie der „Büma“ („Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende“) blieb. Außerdem sei ihnen mitgeteilt worden, dass sie selbst zusehen sollten, wie sie auf eigene Kosten aus Burbach, was relativ entlegen ist, wegkämen. Von Sicherheitsbediensteten wurde ihnen gesagt, dass sie ihre Koffer draußen vor dem Haus abstellen sollten, während die beiden Zeugen erneut ins Büro von Frau M. kommen sollten. Erneut sei dann die Tür geschlossen worden, diesmal sei sie von Sicherheitsbediensteten zugehalten worden. Frau M. sei dann mehrmals aus dem Büro herausgegangen und wieder hereingekommen. Der eine Zeuge sagte, er wolle das Büro verlassen und wurde daraufhin von Sicherheitsbediensteten festgehalten.
Etwa 30 Minuten später sei dann die Polizei gekommen und den Zeugen wurde gesagt, die Polizei müsse (auf Hinweis durch Frau M.) ihre Koffer kontrollieren. Der eine Zeuge sagte, die Beamten sollten dies ruhig tun. Während die beiden Zeugen weiter im Büro verblieben, wurden die draußen abgestellten Koffer von den Polizisten durchsucht, die dann eine größere Zahl von (gebrauchten) SIM-Karten fanden. Die exakte Zahl war nicht mehr bekannt, es sollen etwas über 40 gewesen sein. Frau M. habe dann gegenüber der Polizei behauptet, dass es sich bei den beiden Zeugen um Kriminelle handele und dass die SIM-Karten wohl im nahegelegenen Kiosk gestohlen worden seien. Die Zeugen beteuerten indes, dass die SIM-Karten nicht ihre seien und sie nicht wüssten, wie sie plötzlich in ihre Koffer gelangten. Die Polizei kontaktierte daraufhin den Kioskbesitzer, der nicht nur ausgesagt hätte, dass die SIM-Karten nicht bei ihm gestohlen worden seien, sondern dass die beiden Zeugen ihm bekannt seien und sie nie Probleme gemacht hätten, womit der Fall zunächst erledigt schien.

Die beiden Zeugen verließen daraufhin das Lager in Burbach, riefen Herrn X. an und begaben sich zum Rewe-Supermarkt in Burbach. Dabei seien sie von uniformierten Sicherheitsbediensteten in zwei Autos, einem Audi und einem Opel, verfolgt worden. Durch Herrn X. war ein weiterer Mitarbeiter Z. hinzugerufen worden, der die beiden Zeugen mit zu Herrn X nehmen sollte. Z. allerdings hatte Angst, die beiden Zeugen in seinem Auto mitzunehmen, da er angesichts der sie verfolgenden Sicherheitsbediensteten um seinen Arbeitsplatz fürchtete. Die Zeugen nahmen dann auf eigene Kosten ein Taxi ins etwa zehn Kilometer entfernte Neunkirchen zum Wohnort von Herrn X. Auch auf diesen zehn Kilometern seien sie weiter von den Sicherheitsbediensteten verfolgt worden.

Zufällig anwesend bei Herrn Z. war zu diesem Zeitpunkt die Landtagsabgeordnete Simone Brand, die sich mit Herrn X. über die von ihm erhobenen Vorwürfe bzgl. der Unterbringungsstandards sowie der mutmaßlich von Mitarbeitern des Lagers Burbach organisierten Prostitution dort lebender Frauen austauschen wollte. Herr X. teilte den Zeugen mit, dass die von Frau M. vorgesehene Notunterkunft in Hövelhof für die Zeugen aufgrund ihres rechtlichen Status im Asylverfahren nicht geeignet sei und bemühte sich stattdessen um eine Überstellung in die Bonner Unterkunft in Muffendorf. Der Mitarbeiter Z. brachte die Zeugen daraufhin zum Bahnhof und sie fuhren, wieder auf eigene Kosten, nach Bonn. Herr X. hatte als Mitarbeiter der Bezirksregierung veranlasst, dass die Zeugen dort untergebracht würden. Aufgrund eines Kommunikationsfehlers wurden die beiden Zeugen in Muffendorf zuerst nicht hereingelassen. Dies ließ sich aber nach kurzer Zeit aufklären, sodass sie dort die Nacht von Donnerstag auf Freitag verbringen konnten. Am Freitag morgen wurden die beiden dann allerdings wieder aus der Muffendorfer Unterkunft verwiesen. Später im Laufe des Tages kümmerte sich unser Verein um deren vorläufige private Unterbringung in Bonn.

Herr X., der aufgrund der strukturellen Missstände in der Burbacher Unterkunft hinsichtlich der Unterschreitung gesetzlich vorgeschriebenen Einhaltung gewisser Mindeststandards bei der Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge sowie aufgrund der Ergebnisse seiner Nachforschungen hinsichtlich der mutmaßlich von Beschäftigten im Burbacher Flüchtlingslager organisierten Prostitution schutzsuchender Frauen in Kontakt mit der Parlamentarierin Brand getreten war, hat sich in unseren Augen sehr um den Schutz der beiden Zeugen verdient gemacht.

Auch von Frau Brand wurde uns in der Folge finanzielle Unterstützung bei der vorübergehenden Unterbringung der Zeugen gewährt.

Wir kümmern uns derzeit darum, den Zeugen einen rechtlichen Beistand zu verschaffen sowie ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit ihren Anliegen an die Öffentlichkeit zu wenden, was deren ausdrücklichem Wunsch entspricht.

Die oben wiedergegebenen Zeugenaussagen zeichnen ein – gelinde ausgedrückt – sehr desolates Bild der Burbacher Unterkunft. Die Glaubhaftigkeit der Aussagen erschien uns prima facie nicht nur durch ihre Konsistenz, auch auf detaillierte Nachfragen hin, gegeben, sondern auch durch den Umstand, dass die Aussagen des Mitarbeiters der Bezirksregierung Herrn X. sie in Teilen stützen.

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